Karriere und Führung – was Männer und Frauen unterscheidet – Einblicke aus der Forschung

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Über Männer und Frauen haben wir viele Klischees im Kopf, ob es ums Einparken, den Orientierungssinn oder unterschiedliche Bedürfnisse geht – viel gehört, viel erlebt und oft auch viel zusammengereimt. Wie unsere Bilder von unserem und dem anderen Geschlecht aussehen, hat dabei überwiegend damit zu tun, wo wir uns selbst verorten, bei welchem biologischen oder auch sozialen Geschlecht. Denn unser eigenes Erleben wirkt wie ein Brille, mit der wir die Welt auf eine bestimmte Weise wahrnehmen.

Was sagt die Forschung?

Bei einem Thema, über das es so viele Meinungen und häufig auch erhitzte Gemüter gibt, finde ich es interessant, mich mit den Fakten zu beschäftigen. Daher habe ich mir, angeregt durch die Vorbereitung auf einen Workshop zum Thema Selbstpräsentation, einige richtungsweisende Studien zum Thema angesehen.

Bewerbung und Vorstellungsgespräch – Frauen unterschätzen sich

In dieser Studie von Monika Sieverding (2003) ging es um Selbstbeurteilung in einer simulierten Bewerbungssituation, die mit Blick auf Geschlecht und Selbstkonzepte evaluiert wurde. Über verschiedene Test-Einheiten (Leistungstest, Vortrag zur Selbstdarstellung der beruflichen Qualifikation, standardisiertes Bewerbungsinterview) kam Sieverding zu folgenden Ergebnissen:

  • Frauen schätzten sich in allen Phasen des Versuchs als deutlich weniger erfolgreich ein, als sie tatsächlich waren. Im Gegensatz dazu offenbarten die Selbstbeurteilungen der Männer eine Selbstüberschätzung.
  • Wenn Frauen ihr eigenes Potenzial unterschätzen, ist es unwahrscheinlich, dass sie in einem Vorstellungsgespräch ihr Gegenüber überzeugen. Dies spiegelten die Fremdbeurteilungsergebnisse, die ebenfalls Bestandteil der Studie waren, wider.

Ein mögliches Fazit aus weiblicher Sicht könnte daher lauten: Durch mehr realistische Rückmeldung über die eigene Leistung sowie das persönliche Bewusstmachen der beruflichen und privaten Erfolge können die Selbsteinschätzung und die positive Selbstdarstellung gestärkt werden.

Kooperation versus Konkurrenz

Eine soziologische Studie der TU Berlin von 2011 untersuchte die Karrierespielregeln in der „Arbeitswelt der Wissensökonomie“. Dabei zeigte sich, dass Frauen und Männer unterschiedliche Strategien entwickeln.

  • Frauen setzten die Kompetenzen Kommunikationsfähigkeit, Kooperation, Konfliktlösungsorientierung und integratives Handeln deutlich ein. Es zeigte sich laut Forschergruppe, dass sie dadurch mehr als „typisch Frau“ wahrgenommen wurden, weil diese sozialen Kompetenzen stark mit Frauen assoziiert werden.
  • Männer hingegen maßen den Soft Skills nicht so viel Bedeutung bei, so dass insgesamt eine starke Attribuierung von angenommenen weiblichen und männlichen „Eigenschaften“ erfolgte.

Die Untersuchung umfasst außerdem das Erforschen von Kompetenzen in der Projektarbeit, die oft international und in interdisziplinären Teams erfolgt. Dies erfordert ein hohes Maß an Kooperationsfähigkeit, was mit der Anforderung, im Team sichtbar zu werden, kollidieren kann. So ließ sich feststellen, obwohl mindestens genauso viele Frauen wie Männer in Projekten arbeiten, dass fast alle Projektleiter in den untersuchen Teams Männer waren.

Während laut Studienergebnissen die Frauen stark auf Kooperation setzten, orientierten die Männer sich primär auf Konkurrenz hin und stiegen damit innerhalb eines Projektteams leichter auf.

Doch Projektlaufbahnen führen nur bis ins mittlere Management. Die Annahme der Forschergruppe hierzu ist, dass Männer deshalb ihre Karrierestrategien am klassischen Aufstieg in der Linienhierarchie ausrichten, um weiter oder ganz nach oben zu gelangen. Frauen dagegen schlagen wesentlich häufiger als Männer eine Projektlaufbahn ein und stoßen damit früher an Grenzen.

Ob Frauen generell kooperativer sind, durch genetische und/oder soziale Prägung, ob sie glauben, dies sein zu „müssen“ oder diesen Anspruch von innen heraus an sich selber haben, sind offene Fragen mit vielerlei Antwortmöglichkeiten – je nach Studie, Methode, Ansatz oder auch persönlicher Wahrnehmung.

Eine Frau muss ein Mann sein, um Karriere zu machen“

Dr. Dr. Guido Strunk von der Wirtschaftsuniversität Wien startete 1999 eine Untersuchung zu Management-Karrieren im 21. Jahrhundert, in der er bis heute berufliche Laufbahnen verschiedener Altersgruppen erforscht.

Zu seinen wichtigsten Ergebnissen zählt, dass der entscheidende Faktor für ein hohes Maß an Führungsverantwortung nicht die Persönlichkeit, sondern das Geschlecht war. Anhand des Grads der Führungsmotivation ermittelte er, dass nur Frauen mit dem höchsten Grad an Führungsmotivation (auf einer Skala von 1-7) die Chance auf Führungsverantwortung erhielten, wobei die Führungsmotivation insgesamt unter dem Niveau der Männer lag.

Männern hingegen wurden Führungsaufgaben auch bei durchschnittlicher Führungsmotivation zuteil.

Daraus lässt sich ableiten: Für Frauen bedarf es einiger Anstrengung, während Männer Führungspositionen leichter erhalten. Und es scheint sich alles an einem eher männlich geprägten Führungsideal auszurichten. Dies zeigte sich auch in der nächsten Untersuchung.

Berufserfolg von Frauen und Männern – “think manager – think male“

In dieser soziologischen Studie von Andrea Abele (2013) werden Ansätze von Berufsverlaufsforschung und Genderforschung verknüpft. Dabei wird eine Unterscheidung von Innenperspektive (Selbstkonzept, Ziele) und Außenperspektive (Geschlechterstereotype, Geschlecht als soziale Kategorie) vorgenommen und deren Relevanz für die berufliche Entwicklung herausgearbeitet.

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Frauen werden stärker sogenannte kommunale Eigenschaften, nämlich emotional, einfühlsam, freundlich, hilfsbereit, Männern stärker sogenannte agentische Eigenschaften wie durchsetzungsfähig, selbstsicher, entscheidungsfreudig und kompetitiv zugeschrieben.
  • Es zeigte sich auch, dass für eine erfolgreiche berufliche Entwicklung ein agentisches Selbstkonzept und hohe Karriereziele bedeutsam sind.

Es kristallisierte sich eine Verknüpfung von männlichem Geschlechterstereotyp und Führungs-Stereotyp heraus: Stereotype von Führung beinhalten, dass Führungskräfte stark agentisch und mäßig kommunal sein sollen. Wir assoziieren daher mit „Führungskraft“ viel stärker einen Mann als eine Frau – das sogenannte „think manager – think male“-Phänomen.

Vorläufiges Fazit

Was heißt das nun alles – und was können wir von der Forschung lernen?

Es gibt einige Unterschiede zwischen Männern und Frauen.

Diese lassen sich zum einen konkret beobachten, werden aber ebenso zugeschrieben, also angenommen, ohne erwiesenermaßen vorhanden zu sein. Dann eilt meine Annahme sozusagen der realen Person voraus und bestimmt mein Bild von ihr (=präskriptiv). Dies kann das Verhalten und die Erfolgsaussichten des Menschen beeinflussen.

Männer schätzen sich selber als besser ein, während Frauen eher zur Selbstunterschätzung neigen und dementsprechend auch ein Gegenüber weniger gut von sich überzeugen können. Das kann zu weniger Erfolg führen. Männer dagegen können hinter den geweckten und demnach an sie gestellten Erwartungen zurückbleiben, was wiederum in der Praxis auch Probleme mit sich bringt.

Während Männer stärker kompetitiv orientiert sind und eine generell höhere Führungsmotivation aufweisen, setzen Frauen mehr auf Kooperation, verfügen hingegen nachweislich über eine hohe Führungsmotivation, wenn sie in eine Führungsposition gelangt sind. Es ist dann eine besonders starke Ausprägung vorhanden, also der ausgeprägte Wunsch und Wille zu führen.

Die Vorstellung von Führung hat sich verselbstständigt: Es zeigt sich ein männliches Führungs-Stereotyp, welches beinhaltet, dass Führungskräfte stark agentisch, durchsetzungsfähig, selbstsicher, entscheidungsfreudig, kompetitiv und mäßig kommunal, also weniger ausgeprägt emotional, einfühlsam, freundlich und hilfsbereit sein sollen.

Diese Vorstellung kann dazu führen, dass Frauen in Führung sich diesem männlichen „Vorbild“ anpassen. Es hat sich jedoch durch weitere Studien ebenfalls gezeigt, dass gerade eine gewisse „Geschlechter-Diversität“ auf der Führungsebene erfolgsrelevant ist.

Diversity Matters – Mixed Leadership“

So benannte McKinsey ihre 2007 publizierten Untersuchungsergebnisse zu Frauen in Führungspositionen. Wie in anderen Studien auch, kristallisierte sich ein Zusammenhang zwischen einem höheren Frauenanteil im Management und besseren ökonomischen Ergebnissen des Unternehmens heraus.

Auch Ernst & Young in ihrer „Mixed Leadership“-Studie (2012) kamen zu ähnlichen Erkenntnissen. Danach entwickelte sich die Performance bei Unternehmen mit weiblichen Vorstandsmitgliedern hinsichtlich Umsatz, Gewinn und Börsenwert über einen Zeitraum von 10 Jahren signifikant besser als in den Vergleichs-Unternehmen.

Für mich deutet dies darauf hin, dass ein Mix aus unterschiedlichen Einflüssen am Ende den Unterschied macht. Genauso wie gemischte Teams erfolgreicher sind als jene, die zum Beispiel nur Spezialisten, nur Macher oder nur Kommunikatoren beinhalten, ergänzen sich auch unterschiedliche Führungsstile. Vielfalt und Flexibilität scheinen mir daher wichtige Variablen auf dem Weg zum Erfolg zu sein.

Mein eigener Weg

Allem voran aber finde ich Selbstreflexion und die Reflexion der eigenen Vorstellungen von Karriere, Erfolg und Führung essentiell. Denn sonst landen wir allzu leicht in einer Situation, die gar nicht unseren eigentlichen Vorstellungen entspricht und die uns über kurz oder lang unzufrieden macht. Uns begegnen so viele Bilder, gesellschaftliche Ideale und Wunschvorstellungen, dass es mitunter schwer ist, das eigene noch wahrzunehmen und herauszufiltern.

Am Ende ist der eigene authentische Weg das, was uns gut tut. Dafür loszugehen, ist aus meiner Sicht immer ein herausragend wichtiges Ziel.

 

verwendete Quellen

https://core.ac.uk/download/pdf/32586181.pdf

https://www.gesis.org/fileadmin/cews/www/download/cews-publik14.pdf#page=39

https://www.ssoar.info/ssoar/bitstream/handle/document/39664/ssoar-gender-2013-3-abele-Berufserfolg_von_Frauen_und_Mannern.pdf?sequence=1&isAllowed=y&lnkname=ssoar-gender-2013-3-abele-Berufserfolg_von_Frauen_und_Mannern.pdf

https://www.zeit.de/arbeit/2019-10/tomas-chamorro-premuzic-psychologe-maenner-karriere/komplettansicht

https://www.ifc-ebert.de/wp-content/uploads/2017/12/Frauen-f%C3%BChren-anders….pdf

https://www.wiwi-treff.de/Selbst-Marketing/PB/Selbstdarstellung-fuehrt-zur-Spitze-Karrierestrategien-von-Frauen-zu-kooperativ/Artikel-6005

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Cordula Böhmer am 28. Juni 2020 um 15:08 Antworten

    Dieser Artikel gibt einen sehr guten Einblick in das Thema Gender Balance, das gerade im Hinblick auf den real existierenden Fach- und Führungskräftemangel immer wichtiger wird. Als weibliche Führungskraft in einem technisch geprägten Umfeld wünsche ich mir mehr Bewerbungen von Frauen und hoffe sehr, dass sich die Situation in Zukunft hin zu mehr diversen Teams ändern wird. Der Weg der persönlichen Weiterentwicklung führt immer entlang der Angst. Das darf uns Frauen nicht länger abschrecken. Wir können uns trotzdem selbst treu bleiben. Wichtig ist, dass wir uns trauen. Darauf kann man nicht oft genug hinweisen. Danke für diesen tollen Artikel!

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