Schillernd und still – die Persönlichkeitsvariable Introversion und Extroversion –

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Lebenswelten: Jenny und Steffen

Am Ende eines langen Partyabends hat Steffen meist mit mindestens 20 Leuten gesprochen. Dabei hat er den anderen von seiner neuen Leidenschaft, dem Windsurfen, vorgeschwärmt, von seinem Job in der Marketing-Abteilung einer großen Tageszeitung berichtet und darüber, was ihn die Woche über noch so alles umgetrieben hat – zum Beispiel der in sechs Wochen anstehende Umzug in eine größere Wohnung, der runde Geburtstag seiner Schwiegermutter und der neue Roman von T.C. Boyle.

Als Jenny eintrifft, bemerkt sie zunächst viele fremde Gesichter und fühlt sich leicht unwohl. Sie entdeckt einen freien Stehtisch am hinteren Ende des Gartens und begibt sich mit Sektglas und Teller dorthin. Aus der Entfernung beobachtet sie die Partygäste und ist froh, nicht mitten im Gewimmel zu sein. Im Laufe des Abends gesellen sich einige Gesprächspartner zu ihr an den Tisch, die sich freuen, sie zu sehen. Jenny unterhält sich mit zwei Freundinnen und einem Kollegen, auch zwei ihr bis dahin unbekannte Gäste stoßen später dazu.

Echte Typen?

So oder so ähnlich kann die Welt einer extrovertierten und einer introvertierten Person aussehen. Aber ist das nicht etwas stereotyp?

Ja, ich finde schon. Jedoch scheint es eine gängige Art der Wahrnehmung dieser Persönlichkeitsdimension zu sein und gibt uns Hinweise darauf, wie ein anderer Mensch tickt oder zumindest: ticken könnte.

Selbst- und Fremdbild

Mir fällt allerdings auf, dass es zum einen zwischen der eigenen Einschätzung und dem, wie andere uns wahrnehmen, teilweise größere Unterschiede gibt. Selbst- und Fremdbild stimmen oft nicht überein; so sehe ich mich vielleicht als selbstbewusst und offen an, während andere von mir einen eher zurückhaltenden Eindruck haben.

„Fake Extro-Maske“

Aber auch umgekehrt: Introvertierte Menschen legen sich eine „Hülle“ zu, die sie in einer aus ihrer Sicht extrovertiert dominierten Welt besser bestehen lässt. Das Problem: Sie werden dann auch wie eine extrovertierte Persönlichkeit behandelt, was bedeutet, dass sie, so höre ich es immer wieder von Klienten aus ihrem Berufsleben, verkannt werden und sich unwohl fühlen: Sie sind nicht authentisch, nicht sie selbst.

Mein Selbstkonzept

Die Persönlichkeitsvariable Introversion – Extroversion ist es eine Art Label, mit dem wir durch die Welt laufen. Je nachdem, ob wir die Zuschreibung mögen, fühlen wir uns gut damit. Oder eben auf eine Art abgestempelt, so zu sein. Dann entsteht vielleicht der Eindruck, so wie wir sind, sind wir nicht gut. Dies habe ich bislang eher bei introvertierten Klientinnen und Klienten erlebt, die diesen Anteil von sich als störend empfinden und den Eindruck haben, im Leben nicht so gut zurecht zu kommen.

Es scheint, dass ihnen manches entgeht oder zumindest mit einigen Schwierigkeiten verbunden ist. Zum Beispiel in einer Gruppe offen ihre Meinung zu sagen, die Vorgesetzte um ein Feedback-Gespräch zu bitten, eine schlagfertige Antwort parat zu haben, wenn es drauf ankommt, oder eine neue Frau kennen zu lernen, nachdem die alte Beziehung in die Brüche gegangen ist.

Hauptpreis: Introversion!

Aber was gewinnt man, wenn man eher introvertiert ist? Diese Frage kommt viel zu kurz.

Ein introvertierter Mensch kann in der Regel ganz gut mit sich alleine sein und ist so auf (s)eine Art unabhängig. Er nimmt sich Zeit zum Nachdenken und antwortet in Ruhe. Damit ist er oft ein angenehmer Gesprächspartner, der andere zu Wort kommen und ihnen Raum lässt. Außerdem sorgt er durch seine mitunter fundierteren Antworten vielleicht für Überraschungen.

Stille Wasser sind tief

Als introvertierte Person bin ich eher unabhängig vom Urteil anderer. Dieser Aspekt wird gern übersehen. Denn was im Außen so schön glänzt, eine schillernde extrovertierte Persönlichkeit, mag im Inneren hungrig nach Anerkennung, Kontakt und äußerst unzufrieden sein, wenn keine Bestätigung im Außen erfolgt.

Persönlichkeitsvariable Introversion und Extroversion als fließendes Modell

Introversion – Extroversion ist eine Variable der Big Five und gilt als relativ stabiler Bereich der Persönlichkeit. Wir können eindeutig in eine Richtung tendieren, aber auch Mischtypen sind vertreten, so dass mal die eine, mal die andere Seite mehr ins Gewicht fällt.

Wichtig finde ich, dass wir alle die Möglichkeit haben, situativ zu variieren, indem wir ganz konkret unser Verhalten ändern. Damit werden wir nicht ein von Grund auf anderer Mensch. Aber wir gewinnen Handlungsspielraum. Und können uns selber dadurch auch auf neue Art erleben, was wiederum Mut macht, uns auch in der Zukunft ein anderes, mutigeres Selbst und Handeln zuzutrauen.

Erfahrungswerte

Was sind Ihre Erfahrungen mit diesem Persönlichkeitsanteil? Wie definieren Sie Introversion und Extroversion? Wo haben Sie Unterschiede bemerkt zwischen Selbst- und Fremdbild?

Wenn Sie sich mehr mit dem Thema beschäftigen möchten, sprechen Sie mich gerne an. Ich biete Ihnen unter anderem eine fundierte Auswertung durch den Linc Personlity Profiler an.

Ich freue mich über Austausch und Feedback zu diesem spannenden Thema!

 

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