Werte als Wegweiser
Werte als Wegweiser
Der Klient M., 38, hatte bislang nur angestellt gearbeitet und kaum je eine Pause gemacht. In einer Phase des Umbruchs kam er zu mir ins Coaching, denn nichts schien mehr so richtig zu passen. Was er all die Jahre gemacht hatte, stellte er komplett in Frage: seine inhaltliche Arbeit, seine Vorgesetzten, die Unternehmenskultur, die Branche. Die letzten 3 Jahre war er im Marketingbereich für ein Biotechnologieunternehmen in leitender Position tätig. Schnell wurde klar: Er hatte über lange Zeit gegen seine persönlichen Werte gearbeitet. Dies hatte zu immer größerer Unzufriedenheit bei gleichzeitiger Entscheidungslosigkeit und somit noch mehr Frustration geführt. Zu lange hatte er seine Bedürfnisse nach Kooperation, wertschätzendem und respektvollem Umgang sowie nach Nachhaltigkeit ignoriert.
Freiheit versus Sicherheit
Im Coaching kristallisierte sich im weiteren Verlauf ein großer innerer Konflikt zwischen seinem Bedürfnis nach Sicherheit sowie dem Wunsch nach Freiheit heraus. Dies hatte den Klienten in Untätigkeit verharren lassen. Nachdem wir dieses innere Dilemma, diesen Werte-Streit, ans Licht geholt hatten, setzte M. sich gezielt damit auseinander. Er begann, seine beruflichen Entscheidungen Schritt für Schritt bewusst zu reflektieren und an seinen persönlichen Werten auszurichten. In der Konsequenz kündigte er nach einiger Zeit seinen Job, nahm sich eine Auszeit, in welcher er drei Monate die Welt bereiste, und startete danach zunächst als Freelancer – mit der Option, wenn ihm ein interessanter Arbeitgeber mit für ihn stimmiger Unternehmenskultur begegne, er dort auch wieder angestellt arbeiten könne.
Am Beispiel von M. lässt sich gut erkennen: Wenn wir auf Dauer nicht im Einklang mit unseren inneren Überzeugungen sind, macht uns das über kurz oder lang unzufrieden. Missmut und Demotivation sind oft die Folge. Je mehr wir uns hingegen ausleben und nach unseren Überzeugungen handeln, umso zufriedener können wir leben und arbeiten.
Unsichtbar (und) wirksam
Unsere Überzeugungen und das, was uns wichtig ist, hat sehr viel mit unseren Werten zu tun. Werte könnte man als – mehr oder weniger gut sichtbare – Leitsterne verstehen: Sie geben uns die Richtung für unser Leben vor. Erstaunlicherweise scheinen sich jedoch wenige Menschen bewusst damit zu beschäftigen – vielleicht, weil Werte oft in Gedanken, Meinungen und Handlungen mitschwingen, selten explizit erwähnt werden und daher häufig nicht transparent sind. Von klein auf jedoch sind es die Werte der Menschen, mit denen wir aufwachsen, unserer Familie, unserer Eltern, unseres persönlichen Umfeldes, die uns begleiten und an denen wir uns orientieren. Für unsere Karriere und unseren beruflichen Weg sind sie daher von besonderer Relevanz.
Werte machen Ziele – und Sinn!
Konkret kann das bedeuten: Arbeite ich in einem Unternehmen, welches komplett andere Werte verkörpert als das, was mir selbst wichtig ist, werde ich dort auf Dauer höchstwahrscheinlich nicht gut arbeiten. In meiner Coaching-Arbeit und auch im Rahmen von Assesssment-Center, wo ich das Thema integriert habe, habe ich immer wieder festgestellt, dass die meisten Menschen von der Frage nach ihren Werten fasziniert waren und sie das Thema danach nicht mehr losgelassen hat. Unsere individuellen Werte ziehen uns hin zu unseren Zielen. Nur wohinter wir wirklich stehen, wird etwas sein, wofür wir uns einsetzen, wofür wir am Ball bleiben, wofür wir auch Schwierigkeiten mit Energie und Freude meistern.
Es ist also essenziell, die eigenen Werte zu kennen und zu integrieren, damit ich mein Leben mit dem fülle, was mir wirklich wichtig ist, was mir am Herzen liegt, mir ein Gefühl von Sinn vermittelt und mir Kraft und Motivation verleiht.
Wie komme ich nun zu meinen Werten?
Wenn Sie Lust auf eine Entdeckungsreise haben, folgen Sie mir zum…
PRAXISTEIL
1. Werte identifizieren
Nehmen Sie sich ein Blatt Papier und notieren Sie spontan, welche Werte Ihnen als wichtig für Ihr Leben erscheinen. Beruf, Familie und Beziehungen, Hobbys, Sport, Reisen und anderes können hier Anhaltspunkte bieten.
Um Ihre Reflexion anzuregen und ein paar erste Eindrücke und Impulse zu erhalten, können Sie sich folgende Fragen stellen:
- Was ist mir wirklich wichtig im Leben?
- Was macht für mich das Leben lebenswert und interessant?
- Was erfüllt mich, macht mich zufrieden und glücklich?
- Was war mir als Kind wichtig?
- Wofür setze ich mich ein im Leben?
- Was ist mir im Miteinander mit anderen wichtig?
- Wofür bewundere ich andere?
- Worauf bin ich persönlich stolz?
- Was vermisse ich, mit welchen Gegebenheiten fühle ich mich unwohl (=Gegenpol zum fehlenden Wert)?
Zur Unterstützung und Anregung der Werte-Findung können Sie auch eine Liste aus dem Internet verwenden, z.B. Werteliste (enthält 127 Werte).
Nun wählen Sie aus Ihrer Liste die zehn wichtigsten Werte aus und markieren diese. Wenn Ihnen eine Auswahl schwer fällt, betrachten Sie Ihre Werte im Ganzen:
Gibt es bedeutungsnahe Begriffe, beispielsweise Paare wie Vitalität und Gesundheit oder Karriere und Erfolg? Welche Bereiche können Sie erkennen? Scheint noch etwas zu fehlen?
Nachdem Sie alle Werte noch einmal durchgegangen sind und diese bei Bedarf angepasst haben, legen Sie sich auf die für Sie fünf wichtigsten fest und kennzeichnen diese entsprechend.
2. Persönliche Werte-Definition
Nicht nur Worte, sondern auch Werte haben für jeden von uns unterschiedliche Bedeutung. Damit Ihnen Ihr eigenes Verständnis klarer und auch im Umgang transparenter wird, notieren Sie im nächsten Schritt so konkret wie möglich für jeden einzelnen der fünf Werte: Welche Bedeutung hat dieser Wert für mich, was genau verstehe ich darunter, wofür steht dieser Wert?
Nehmen wir als Beispiel den Wert Ehrlichkeit. Eine persönliche Beschreibung könnte lauten:
Ehrlichkeit bedeutet für mich, im Kontakt mit anderen immer meine Meinung zu sagen und zu dem zu stehen, was ich denke und fühle. Außerdem steht der Wert dafür, dass ich mir selbst nichts vormache, sondern die Dinge sehe und benenne, wie sie sind.
3. Werte-Rangfolge & Ist-Analyse
Bringen Sie die Werte jetzt in eine Rangfolge von eins bis fünf.
Geben Sie im zweiten Schritt hinter jedem Wert an, wie stark Sie einschätzen, diesen in der letzten Zeit (Zeitraum von ca. zwei Jahren oder eine selbstgewählte kürzere Zeitspanne) 1. in Ihrer beruflichen Erfahrung (ggf. inkl. Studium / Praktika / Nebentätigkeiten), 2. im Privaten ausgelebt zu haben. Notieren Sie den Wert in % von 100 für den beruflichen Kontext sowie den privaten Kontext separat (es sind also insgesamt 200% erreichbar).
4. Fazit
Werfen Sie jetzt einen Blick auf Ihre Einschätzung.
Wie hoch sind Ihre Werte?
Wo gibt es Ausschläge nach oben oder unten?
Was gefällt Ihnen gut an Ihrem Ergebnis, was gibt Ihnen zu denken? Was möchten Sie verstärken, was verändern?
Mit dieser Werte-Analyse haben Sie eine erste gute Basis, um Ihr Leben und Ihre Karriere stärker auszurichten. So können Sie zum Beispiel konkrete Maßnahmen daraus ableiten, mit denen Sie Ihren nächsten beruflichen Schritt und Ihre Karriereziele stimmiger und authentischer gestalten.
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