Für einen besseren Umgang mit Angst und Gedankenschleifen – eine praktische Methode – let it RAIN!

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In Krisenzeiten wie diesen können die Gedanken, unsere Sorgen und Ängste leicht überhand nehmen.

Angst als evolutionäres Erbe

Während Angst für den Menschen evolutionär betrachtet eine an sich gesunde Funktion darstellt, indem sie uns warnt und uns dazu bringt, unser Überleben in Gefahr zu sichern, wird sie zu viel, wenn sie unser Denken und Tun dominiert und lahmlegt.

Ein Gefühl meiner eigenen Stärke – Selbstwirksamkeit

Dann kann es passieren, dass sich die Welt nur noch in unserem Kopf abspielt und wir das Handeln vergessen. Gerade das aber wäre wichtig, um das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit zu behalten, vielleicht sogar besonders zu stärken. Denn wir können immer etwas tun, auch wenn wir nicht alles ändern können – und übrigens ja auch nicht müssen, was durchaus eine Erleichterung sein kann.

Wenn das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit (ver)schwindet, empfinden wir Stress. Dies wurde in diversen Untersuchungen nachgewiesen. Und der wirkt sich sehr ungünstig auf unsere körperliche und psychische Gesundheit aus.

Was können wir tun, um nicht in die Angst-Falle zu tappen und das Gefühl unserer Selbstwirksamkeit zu stärken?

Die RAIN-Methode

Ich möchte Ihnen gerne ein Tool vorstellen, das sich hierfür gut einsetzen lässt: die RAIN- Methode. Sie ist ein effektives Instrument, um Ängsten, Sorgen, Gedankenschleifen und Grübeleien zu begegnen und ihnen etwas entgegen zu setzen. Konkret verbirgt sich dahinter:

Recognize – wahrnehmen, erkennen

Hier geht es darum, festzustellen, was jetzt gerade präsent ist: Welcher Gedanke – was geht mir durch den Kopf?, welches Gefühl oder auch welche Körperempfindung, z.B. Anspannung im Kiefer, Brustbereich etc. ist jetzt gerade wahrnehmbar oder geht mit meinen Gedanken einher?

Dafür ist es nötig, die Aufmerksamkeit zunächst nach innen zu lenken. Ich kann vielleicht die Sorge, meinen Arbeitsplatz aufgrund der aktuellen Krise zu verlieren, als eine Anspannung in der Magengegend oder in einem zusammengepressten Kiefer spüren. Der Fokus auf den Körper kann schon zu einer Beruhigung meiner Gedanken führen.

Acknowledge, acceptannehmen

Häufig reagieren wir automatisch auf bestimmte Gedanken und Gefühle, indem wir sie entweder ablehnen oder aber „konservieren“, also nicht loslassen möchten. Wenn wir sie annehmen, betrachten wir sie neutral, ohne sie als gut oder schlecht zu bewerten. Alles kann so stehen bleiben, wie es ist.

Energie gewinnen

Der große Gewinn hiervon ist, dass wir unsere Energie nicht in Abwehr oder Festhalten stecken und uns nicht zusätzlich in einen inneren Kampf verwickeln. Stattdessen können wir uns auf das einlassen, was jetzt gerade ist. Dies setzt viel Energie frei und gibt uns die Kraft, mit den Dingen im Hier und Jetzt viel besser umzugehen.

Eine Möglichkeit der Formulierung hierfür wäre, sich selber zu sagen: Ja, so ist es jetzt. Oder: Alles darf so sein.

Oft stellt sich durch diese beiden Schritte schon eine gewisse Erleichterung ein. Die folgenden Schritte können darüber hinaus hilfreich sein.

Investigate – untersuchen

Hier ist meine Absicht, mich meinen Gedanken, Wahrnehmungen und Gefühlen vertieft zuzuwenden und mich selber besser zu verstehen. Eine freundliche und neugierige Haltung mir selbst gegenüber hilft dabei. Das Erforschen kann auf der körperlichen Ebene stattfinden, indem ich in meinen Körper hinein spüre, ebenso auf der emotionalen, indem ich den Gefühlen Raum gebe.

Um unsere Gedanken besser zu verstehen, sind Fragen geeignet wie:

Woher kommt mein Gefühl, der wiederkehrende Gedanke? Was ging diesem voraus? Was hat möglicherweise dazu geführt? Was für physische Faktoren hatten und haben Einfluss auf meinen Zustand – z.B. Hunger oder Schlafmangel?

Außerdem kann es unterstützen, sich zu überlegen, was ich jetzt brauche und was ich für mich selber tun kann, um mich besser zu fühlen, also meine eigenen Bedürfnisse verstärkt wahrzunehmen.

Non-Identification – sich nicht identifizieren

Eine Emotion oder ein Gedanke kann sich immens anfühlen, wenn wir den Eindruck haben, dass dies alles ist, was zählt, alles, was uns ausmacht. Dann ist es so, als wären wir selber der Gedanke oder das Gefühl. Es kann überaus erleichternd sein, diese überdimensionierte Betrachtung zu relativieren und in einen größeren Kontext zu setzen.

Ich bin nicht meine Angst

Mit Sätzen wie „Ich habe 60.000 Gedanken am Tag. Meine Sorge um… ist nur einer von 60.000 Gedanken heute. Alle Gedanken kommen und gehen.“ nehmen wir dem einzelnen Gedanken den Wind aus den Segeln. Er ist nicht alles, was uns ausmacht.

Dasselbe gilt für Gefühle – auch sie kommen und gehen und sind jeden Tag in einer Vielzahl vorhanden. Es ist unsere Chance, einzelne unliebsame Gefühle innerlich nicht aufzublähen und zum Beispiel Angst zu einem alles bestimmenden Faktor zu machen. Indem die Angst nur ein Gefühl von vielen ist, kann sie uns nicht mehr beherrschen.

In meiner Mitte bleiben

Die RAIN-Methode wurde vor 15 Jahren von Michele McDonald entwickelt und wird seitdem vielfach verwendet, in individuellen Formen. Sie lässt sich übrigens ebenso gut nutzen, um mit positiven Gedanken und Gefühlen umzugehen.

Vielleicht können Sie dieses Tool einsetzen, um mehr Gelassenheit in Ihren Alltag und Ihre Gedankenwelt zu bringen. Angesichts der Corona-Unruhe und täglicher Hiobsbotschaften scheint mir innere Ruhe die beste Basis, um handlungsfähig und möglichst entspannt zu bleiben. Damit stärken wir uns selbst, da wir uns trotz Krise als selbstwirksam erleben können.

Eine neue Chance

In jeder Krise liegt eine Chance, auch wenn wir das heute vielleicht noch nicht begreifen oder uns vorstellen können. Ich bin mir sicher, dass viel gutes Neues entstehen kann in einer Zeit, wo vieles unmöglich ist. Diese Lebensphase kann uns zum Nachdenken und Innehalten bringen, neue Ansätze, Projekte, neue Formen des Umgangs und Miteinanders hervorbringen. Auch ein stärkeres Bewusstsein für die Natur und alternative Wirtschaftsideen und -formen können in dieser Zeit gedeihen.

Zum Weiterlesen:

https://www.tarabrach.com/rain/ https://learn.tricycle.org/courses/rain http://www.zuhoerer.ch/rain-4-schritte-im-umgang-mit-schwierigkeiten/ https://de.innerself.com/content/personal/spirituality-mindfulness/mindfulness/20290-practicing-acceptance-with-the-rain-method.html

 

 

 

 

 

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Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Cordula Böhmer am 20. März 2020 um 17:25 Antworten

    Dieses Tool finde ich wirklich sehr hilfreich und sehr gut beschrieben. Wir sind nicht unsere Angst und können mit ihr viel besser umgehen, wenn wir uns nicht mit ihr identifizieren, sondern sie beobachten und untersuchen. Vielen Dank für diese Anregungen.

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