Kompost oder Misthaufen – die Macht meiner Perspektive

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„Die Frage ist doch: Sitze ich auf dem Kompost oder auf einem Misthaufen?!“

Es dauerte einen Moment, bis diese Aussage der Klientin zu mir durchsickerte. Dann aber begann ich zu realisieren, wie wunderbar und passend dieses Bild ist – passend für all die vielen Zusammenhänge und Gegebenheiten, in denen das Gute uns (noch) nicht ersichtlich ist.

Die Klientin befand sich an einem Wendepunkt: Was sie bislang beruflich gemacht hatte, war nicht mehr das richtige für sie, das Neue hingegen war für sie noch nicht in greifbare Nähe gerückt; die Möglichkeit, das Vorhandene für sich und den neuen Karriereschritt zu nutzen, schien ihr unrealistisch.

Ein anderes Beispiel ist, wenn wir einige berufliche Wechsel hinter uns haben. Das ist uns unangenehm und irgendwie peinlich, weil wir nicht „geradlinig“ waren – bis wir vielleicht dahin kommen zu erkennen, dass eine große Vielseitigkeit, Flexibilität und intrinsische Motivation darin steckt und wir einen viel größeren Einblick in Organisationen, Aufgaben und berufliche Felder erlangt haben, als es uns mit dem Verfolgen eines einzigen Zieles möglich gewesen wäre. Der scheinbare Nachteil kann sich somit als großer Vorteil für unsere Karriere entpuppen. Und mein Selbstbild sehr positiv und nachhaltig prägen.

Konstruierte Wirklichkeit

Die Beispiele illustrieren, dass die Dinge nicht an sich gut oder schlecht sind. Sondern dass sie immer durch uns, in unserem eigenen Kontext und mit unserem Blickwinkel ihre Bedeutung gewinnen. Wir konstruieren uns so unsere eigene stimmige Wirklichkeit. Eine grundlegende Annahme der systemischen Betrachtung besagt, dass menschliches Handeln auf einer bestimmten Konstruktion von Vorstellungen, Gedanken und Werten basiert. Aus verschiedenen Elementen basteln wir uns ein schlüssiges inneres Bild, eine Art Landkarte der Wirklichkeit.

Meine innere Landkarte

Der Nutzen einer Landkarte besteht darin, dass sie uns Orientierung gibt, dass wir alles besser einordnen und unseren Weg finden können – somit sind wir in vielen Situationen schnell handlungsfähig, denn wir müssen nicht jedes Mal alles neu durchdenken und eine grundlegende Haltung dazu finden. Teil unserer Landkarte sind Meinungen, Überzeugungen und Glaubenssätze.

Unbewusste Glaubenssätze

Letztere zeichnen sich dadurch aus, dass wir sie weder beweisen noch widerlegen können – wir nehmen sie als grundsätzlich gegeben an, ohne unser Urteil in Frage zu stellen – insbesondere da Glaubenssätze oft implizit und unbewusst sind. Häufig begegnen mir im Coaching Glaubenssätze wie Ich bin nicht gut genug, Aus mir wird nichts oder Ich bin unwichtig. Aber genauso sind Gedanken wie Im Leben wird einem nichts geschenkt oder Akademiker essen nicht von goldenen Tellern, die in ihrer teils sprichwortartigen Weise scheinbar so harmlos daherkommen, prägende innere Vorstellungen.

Die Landkarte ist nicht die Wirklichkeit

In meiner Arbeit als Karriere-Coach und Persönlichkeits-Coach geht es eigentlich immer darum, gemeinsam mit dem Menschen, der vor mir sitzt, neue Perspektiven zu entdecken. Das heißt, auch hier ist das Ziel, die Landkarte zu erweitern und zu verändern. Die Landschaft bleibt zunächst erstmal dieselbe; was sich verändert, ist unser Blick darauf – zum Beispiel vom Mangel zur Fülle: Ein Klient entdeckt, dass die vielen Umzüge seiner Kindheit und Jugend, die er als verunsichernd und entwurzelnd empfunden hat, ihm heute ermöglichen, sich sehr schnell an neue Gegebenheiten anzupassen, sich auf neue Menschen und Umgebungen einzustellen und diesen mit großer Offenheit zu begegnen. Er hat also ein enormes Maß an Flexibilität, Offenheit, Freundlichkeit und Anpassungsfähigkeit entwickelt, die ihm im Berufsleben außerordentlich hilfreich sind, insbesondere in seiner Arbeit mit Kunden und in dem Start Up, in dem er als Key Account Manager sehr erfolgreich ist.

Der springende Punkt ist: Da es sich bei Glaubenssätzen oft um die negative Ableitung aus Vergangenem handelt, kann uns das sehr viel Energie rauben. Diese könnten wir viel produktiver in der Gestaltung unseres jetzigen Lebens und unserer Karriere einsetzen.

Perspektivwechsel

Hilfreich kann hier die Sicht von anderen sein, die wir um eine Einschätzung oder ihre Meinung bitten. Feedback unterstützt uns dabei, unseren Blickwinkel zu verändern. Ein sehr nützlicher Ansatz sind in diesem Zusammenhang das Johari-Fenster und die daraus ableitbaren Selbst- und Fremdbild-Übungen.

Auch mit den richtigen Fragen kann ich meinen Blick weiterentwickeln. Hier ein paar Anregungen für die Arbeit mit bestimmten Erlebnissen, die uns zu negativen Glaubenssätzen und Haltungen führen können:

  • Welche Erfahrungen habe ich aufgrund der Kündigung durch meinen Arbeitgeber Maximaxi AG gemacht?
  • Wer wäre ich heute ohne diese Erfahrung?
  • Welche Qualitäten konnte ich aufgrund dieser Erfahrung entwickeln? Was habe ich gelernt in dieser Zeit?
  • Wenn ich 5 Jahre in die Zukunft schaue und mein zukünftiges Ich befrage: Was würde es mir sagen, hat diese Erfahrung mich gelehrt?

Werde CEO Deiner Gedanken

Wir können selbst entscheiden, welche Gedanken uns gut tun: Was ist hilfreich, was unterstützt uns, ebenso was bereitet uns schlechte Laune, was demotiviert uns, macht uns traurig oder raubt uns die Energie? Bei 60.000-80.000 Gedanken am Tag scheint es mir eine gute Idee, nicht jedem davon Glauben zu schenken. Denn das kann eigentlich nur zu großer Verwirrung führen. Warum also nicht die eigenen Gedanken gezielter auswählen?

Nun mag sich mir die Frage stellen: Ist das nicht Manipulation, meine Gedanken zu „beschönigen“??

Ja, unbedingt! Aber unsere „schlechten“ Gedanken sind es genauso! Wir könnten doch einfach mal etwas anderes ausprobieren…

Neuroplastizität – neue Spuren legen

Unser Denken hinterlässt Spuren im Gehirn, so wie ein Schlitten Spuren im Schnee. Wenn wir allzu lange dasselbe gedacht haben, werden wir starr in unserer Wahrnehmung (der Schnee wird fest und vereist) und entdecken wenig Neues. Die Neuroplastizität unseres Gehirns (=die Fähigkeit des Gehirns, sich selbst zu ändern) nimmt ab, wir denken und agieren weniger flexibel. Das kann bedeuten, dass wir Dinge auf die immer gleiche Weise wahrnehmen und dementsprechend reagieren.

Um dies zu ändern, ist es daher sinnvoll, mit meinen Gedanken bewusst umzugehen, und so neue Spuren anzulegen.

Fruchtbares Denken

Um nochmal in den landwirtschaftlichen Kontext des Anfangs zurück zu gehen: Unsere Gedanken bestimmen über unser Wohlbefinden und unseren Erfolg im Leben. So wie wir säen, so ernten wir.

Wenn wir den Acker fruchtbar bereiten, den Kompost erkennen und verwenden, dann kann daraus viel Neues, Gutes und Erfolgreiches entstehen. Im Falle meiner Klientin bedeutete das, dass sie sich im Verlauf des Coachings trotz anfänglich starker Zweifel auf den Weg machte, noch einmal etwas ganz Neues zu lernen, für das sie wirklich brannte.

Ein paar Monate nach dem Coaching erhielt ich eine E-Mail von ihr: Der berufliche Richtungswechsel war für sie eine goldrichtige Entscheidung und der neue Job bereits in greifbarer Nähe. So war aus dem potenziellen Misthaufen am Ende äußerst fruchtbarer Kompost geworden!

 

 

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Cordula Böhmer am 27. Juli 2020 um 11:09 Antworten

    Sehr schöner Artikel mit vielen wichtigen Einsichten. Die Qualität unseres Lebens wird nicht dadurch bestimmt, was uns passiert, sondern dadurch, wie wir darauf reagieren. Danke dafür.

    • henrike hüttner am 28. Juli 2020 um 15:47 Antworten

      Vielen Dank für das Feedback, das freut mich sehr.
      Das Thema ist mir persönlich auch ein besonderes Anliegen.
      Herzliche Grüße

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