Meine Bucket List – der Antrieb der Endlichkeit –

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„Wir werden uns ab Januar eine ruhigere und hellere Wohnung suchen.“
„Ich frage dann endlich meinen Chef nach einer Gehaltserhöhung.“
„Im neuen Jahr werde nicht mehr so viel Schokolade essen.“

Als Kind wunderte ich mich immer, wenn die Erwachsenen an Silvester darüber sprachen, was im neuen Jahr alles anders werden solle. Damals dachte ich: „Wieso, damit könnt ihr doch heute schon anfangen?!“

Endlichkeit als Antrieb

Für viele dient das Jahresende als eine Art Erinnerung daran, dass wir nicht ewig Zeit haben. Ich persönlich finde: Es kann die Endlichkeit des Lebens selbst sein, die uns handeln lässt. Und dabei muss es nicht immer im Sinne von „als wäre es der letzte Tag deines Lebens“ sein – sondern einfach im Bewusstsein dessen, dass wir tatsächlich nicht für alles ewig Zeit haben werden.

Was bleibt: Wandel!

Auch die Jahreszeiten führen uns vor Augen, dass alles in Veränderung und somit alles Bestehende endlich ist. Der Winter mit seiner Kargheit insbesondere lässt uns mehr nach innen sehen, stillere Zeiten verleben. Gleichzeitig entsteht das Bedürfnis, warme und wohlige Stuben aufzusuchen, vor dem Ofen zu sitzen, Stille und Frieden zu genießen. Ganz anders die lau(t)en Zeiten des Sommer: Abende in der Beachbar, Nachmittage auf dem Spielplatz, Grillpartys und lauschige Sommerausflüge – das pralle Leben da draußen.

Der kalte und dunkle Winter hingegen erinnert uns daran, dass alles zu Ende geht – so wie das Jahr am 31. Dezember. Was für die Tiere der Winterschlaf, ist für viele Menschen eine ebenfalls ruhigere Zeit – eine Phase des Innehaltens und der Rückschau: Wie war mein Jahr? Was ist passiert? Was war gut, was war schlecht? Das bringt oft den Wunsch mit sich, im nächsten Jahr einiges anzugehen, anders zu machen oder neu zu beginnen.

Bucket List – was zählt für mich?

Dies lässt sich auf das ganze Leben übertragen. Daraus ist entstanden, was die Amerikaner und Engländer Bucket List (to kick the bucket = den Löffel abgeben) nennen: Eine Aufzählung der Dinge, die ich in diesem Leben noch verwirklichen und erleben möchte – eine Art To-Do-Liste für mein Leben.

Meine Bucket List dient als eine Erinnerung daran, was mir wirklich wichtig ist. Was für mich zählt. Was ich UNBEDINGT noch erleben möchte. Wir können uns damit immer wieder vergegenwärtigen, was uns am Herzen liegt, und dies dann auch konkret umsetzen. Ob es eine Reise zu den Pyramiden oder den Polarlichtern ist, Japanisch lernen, Stabhochsprung trainieren, ein großes Projekt leiten, einen unbekannten Menschen auf der Straße küssen, den eigenen Chef endlich einmal anbrüllen oder vor 100 Personen einen öffentlichen Vortrag zu halten. Weitere Ideen finden sich unter anderem in Nelly Furtados Song Bucket List:

Climb a mountain, swim the seven seas
Get your body to look like Hercules
Jump out an airplane with a parachute
Fly up and away on a hot air balloon
(…)
Get on your boots and visit the North Pole
Try every sport until you score a goal
Follow the path of a butterfly
Go to Ground Zero and do nothing but cry
(…)

Vom Lebensende lernen

Inspirierend finde ich auch, was die Australierin Bronnie Ware in ihrem Buch „5 Dinge, die Sterbende am meisten bereuen“ über ihre Gespräche mit Sterbenden schreibt und was sie von diesen gelernt hat. Aus ihren Begegnungen über viele Jahre filtert sie das Wichtigste heraus. Dazu gehört der Wunsch, sich selbst treu geblieben zu sein, anstatt sich an den Vorstellungen anderer zu orientieren. Auch das Bedürfnis, den eigenen Gefühlen mehr Ausdruck verliehen zu haben sowie sich selber mehr Freude gegönnt zu haben, zählen dazu.

Der Tod scheint mir ein weiser Lehrer: Wir selbst zu sein, dazu zu stehen und authentisch zu leben, kristallisiert sich am (Lebens)Ende als Essenz heraus.

Das Glück der Verwirklichung

Vor Kurzem habe ich selber wieder erlebt, wie bereichernd es ist, Dinge zu tun, die ich schon immer tun wollte – als ich endlich einen länger gehegten Wunsch in die Tat umsetzte: Porträtzeichnen lernen. In jeder freien Minute nehme ich mir nun einen Stift zur Hand und zeichne Gesichter, was das Zeug hält. Es ist zu einem beglückenden Hobby für mich geworden – wovon ich zuvor nur so eine Art leiser Ahnung gehabt hatte.

Dies hat mich wieder einmal daran erinnert, wie bedeutsam es ist, das zu tun, was wir wirklich wollen und was uns wichtig ist.

An jedem Tag unseres Lebens.

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Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Andreas Pfeffer am 6. Dezember 2019 um 15:57 Antworten

    Ein sehr schön geschriebener Text! Meine bucket list würde die Rettung des Klimas, die erfüllte Liebe und das Tango Tanzen unfassen. Ich bin dran!

  2. Eva Wagendristel am 8. Dezember 2019 um 0:36 Antworten

    Ja das stimmt so. Der Text erfreut sehr das Herz!
    Manchmal schaue ich auch nach vorne (als ob ich in der Zukunft wäre)
    und denke mich als jemanden, der von dort aus
    zurückblickt – dann wird es klarer, was ich sehen möchte. Nur so als Gefühl eigentlich.
    Und das kann wie ein Leitstern sein.

  3. Cordula Böhmer am 8. Dezember 2019 um 11:20 Antworten

    Ein wirklich sehr inspirierender Beitrag, der sehr gut zum Jahresende passt. Am Ende des Lebens rückblickend zu realisieren, dass man eigentlich das Leben der anderen gelebt hat, wäre tragisch. Ich hole jetzt meine alte Gitarre aus dem Schrank… Danke!

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